Strukturanalogien zwischen Musik und visuellen Künsten

3.3 Korrespondierende Verfahren: Collage und Frottage

Auch bildkünstlerische Verfahren stellten eine Inspirationsquelle für musikalische Kompositionen dar. So wurde die Collagetechnik mit dem Aufkommen akustischer Speichermedien auch für die Organisation von Klängen eingesetzt, wobei, wie bei der visuellen Variante, völlig disparates, häufig vorgefundenes Material miteinander kombiniert wurde. Prägend wurde dieses Verfahren ab den 1940er Jahren vor allem für die Musique concrète, deren Begründer Pierre Schaeffer auf Magnetband aufgezeichnete Einzeltöne oder Klangfragmente von Umweltgeräuschen oder aus musikalischen Werken zu neuen Kompositionen zusammenfügte. Auch Iannis Xenakis, John Cage und andere experimentierten in den 1950er Jahren mit den durch die Tonband-Technik eröffneten neuen Kompositionsverfahren. Cage collagierte beispielsweise im Williams Mix (1952/1953) extrem kurze Segmente, die Assoziationen zu den Ursprüngen der Klänge verhindern, sodass der Schnitt in den Vordergrund des Klanggeschehens rückt und sich als eigenständiges Geräusch etabliert, das über und nicht zwischen den anderen Geräuschen liegt.[10]

Andere Komponisten übertrugen die erstmals von Max Ernst 1925 angewandte Methode der Frottage, bei der mittels Durchreiben, oft mit Grafit, die natürlichen Strukturen der dem Papier untergelegten Gegenstände sichtbar werden, auf die Musik. So verwendete Michael Denhoff in seinem 6. Streichquartett frottages op. 70 (1993) als Klangfindungs-Unterlage den ersten Abschnitt einer Fantasie von Henry Purcell und stimmte die tiefste Saite jedes der vier Streichinstrumente so herab, dass der neue Klang den vier Tönen des Hauptmotivs von Purcells Fantasie entspricht. Als magische Spur immer neuer Klang-Durchwirkungen durchzieht dieses Motiv und seine für Purcells Zeit so ungewöhnlichen Zusammenklänge in der kontrapunktischen Verflechtung meine Partitur.[11]

Auch Andreas Dohmen hat die Frottage-Technik auf sein gleichnamiges Ensemblewerk von 2000/2001 angewandt, bei im als Anknüpfungspunkt für eine akustische Filterung und Aufdeckung latent vorhandener, aber verdeckter musikalischer Strukturen.[12]

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