Strukturanalogien zwischen Musik und visuellen Künsten

1 Bezugnahmen auf andere Gattungen als Vorläufer struktureller Analogien

In der Geschichte beider Künste existieren zahlreiche Bezugnahmen auf die jeweils andere Gattung schon bereits bevor sich im 20.Jahrhundert strukturelle Analogien etablierten, sei es auf theoretischer Ebene im Paragone, dem Wettstreit der Künste in der Renaissance, in der Entwicklung der Ästhetik im 18. Jahrhundert, die für beide Künste gemeinsame Ziele formulierte, oder auf praktischer Ebene durch die Wahl von Sujets der jeweils anderen Kunst.

So hat die Wahl musikalischer Themen in Darstellungen von Musikern oder Instrumenten eine lange Tradition in der Malerei, bevor ab dem 18. Jahrhundert zunehmend eine musikalische Malerei propagiert wurde, die ihren Niederschlag sogar in der Literatur in zahlreichen Künstlerromanen fand. Unter dem Einfluss der Musikästhetik erlangte im 19. Jahrhundert die Tonkunst Vorbildwirkung für die Malerei und in der Folge wurden allmählich auch gestalterische Prinzipien auf die bildkünstlerische Produktion übertragen, wie Philipp Otto Runges Die Zeiten verdeutlicht. Unter anderem, weil sie mit der Einführung der Fotografie die Hoheit der gegenständlichen Abbildung verloren hatte, fand die Malerei in ihrem Neuorientierungsprozess in der Musik ein Vorbild hinsichtlich des abstrakten Umgangs mit dem gestalterischen Material. Dies zeigte sich ab dem Ende des 19. Jahrhunderts in der verstärkten Wahl musikalischer Titel für semi-abstrakte oder abstrakte Gemälde.

Umgekehrt war in der Musik bis ins 19. Jahrhundert die mimetische Darstellung realer Erscheinungen der Umwelt nur mittels der Tonmalerei üblich. Hierzu gehören z. B. die Nachahmung von Naturvorgängen wie Tierstimmen, Gewitterszenen, Landschaftsidyllen (mit rauschendem Bach und Jagdhornklängen) oder eine Eisenbahnfahrt.

Erst mit dem Aufkommen der Programmmusik im 19. Jahrhundert finden sich jedoch konkrete Bezugnahmen auf Werke der bildenden Künste, so in Franz Liszts Années de pélerinage (1839) und Hunnenschlacht (1857) oder Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung (1874).[1]

Beziehungen zur malerischen Vorlage bestehen hierbei aber vor allem als Tertium Comparationis, also mittels gleicher adjektivischer Zuschreibungen, wie z. B. monumental oder statisch, die vom Bild auf die Musik übertragen wurden.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts haben sich die Austauschbeziehungen zwischen Kunst und Musik schließlich verdichtet, sei es durch die gleichzeitige Aktivität von Künstler-Musikern in beiden Feldern, durch Bemühungen um eine Synthese der Künste z. B. im Musiktheater oder aber durch die Übertragung von gestalterischen Prinzipien aufgrund von Strukturanalogien.

Bei Programmmusik handelt es sich zumeist um eine selbstständige Instrumentalmusik, der ein außermusikalisches Sujet zugrunde liegt, auf das der Komponist in der Regel selbst verweist.  
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