Strukturanalogien zwischen Musik und visuellen Künsten
2 Visuelle Analogien zur Musik
2.1 Zeitliche Abläufe
Nachdem es bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Tendenzen gegeben hatte, Bewegungen, etwa die des Tanzes wie bei Toulouse-Lautrecs Porträt Miss Loïe Fuller (1893), bildlich darzustellen, intensivierten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bestrebungen, den freien, abstrakten Umgang mit dem gestalterischen Material nach dem Vorbild der Musik und auch deren zeitliche Ebene in die Malerei zu integrieren.
Dieses geschah zunächst innerhalb des zweidimensionalen statischen Bildes, wie die rückseitige Beschriftung Malerei mit Zeit eines Gemäldes Walter Ruttmanns
veranschaulicht (o.T.), 1918). Außerdem wurden häufig musikalische Begriffe wie Fuge, Rhythmus, Tanz oder Dreiklang gewählt, beispielsweise bei Frantiček Kupkas Gemälde Fuge in zwei Farben (Amorpha) (1912), das auf Bewegungsstudien eines Balles zurückgeht.
In einem zweiten Schritt versuchten Maler wie Hans Richter und Viking Eggeling die von ihnen als zu statisch und beschränkt empfundene Leinwand auszudehnen und zunächst auf Rollenbildern die an Formmodellen der Musik orientierten Beziehungen zwischen Farbe und Form auch in einer temporalen Abfolge erforschen zu können. Entsprechend beschrieb Eggeling sein erstes Rollenbild Horizontal-Vertikal-Orchester als gestaltende Evolutionen und Revolutionen in der Sphäre der rein künstlerischen (abstrakten Formen) analog etwa zu den unserem Ohr geläufigen Geschehnissen der Musik.[2]
Schließlich führten die in der Malerei entwickelten Konzepte bei Eggeling, Hans Richter, Walter Ruttmann und anderen Malern ab Ende der 1910er Jahre zum abstrakten Film.