Sonifikation

5 Zeitgenössische Forschung und Anwendung in der wissenschaftlichen Sonifikation

Die Entwicklung der Computertechnologie führte seit den 1950er Jahren zu einer grundlegenden Veränderung im Umgang mit vorhandenem Datenmaterial. Mit steigender Leistungsfähigkeit wurde das Verarbeiten von immer umfangreicheren Datensätzen möglich. Der Einsatz zeitdiskreter Signalverarbeitung[13] war Grundlage für die Entstehung der Sonifikationsforschung, da sie – zumindest theoretisch – die Umsetzung jeglicher Daten in hörbare Informationen möglich machte. So entstanden die ersten Anwendungen mit Einbindung von Auditory Displays, akustischen Anzeigen, die zum Ziel hatten, die Kommunikation an der Mensch-Maschine-Schnittstelle zu unterstützen. Schon 1958 bei einem der ersten volltransistorisierten Rechenautomaten, dem Mailüfterl[14] von Heinz Zemanek, kommt eine frühe Form eines Auditory Displays zum Einsatz. Um die damals noch beträchtlichen Rechenzeiten aus der Ferne überwachen zu können, wurde das Mailüfterl mit dem Telefon verbunden und so konnte man von zu Hause aus dem Algorithmus bei der Arbeit zuhören.[15] Dabei signalisierte ein Dauerton, dass der Computer abgestürzt war. Bei unterschiedlichen Tonfolgen konnten die Mitarbeiter unterscheiden, an welcher Stelle im Programm sich der Rechner gerade befand. Ebenfalls in den 1950er Jahren finden sich noch rein analoge Versuche zur akustischen Darstellung und Erforschung von Erdbeben. Zu dieser Zeit war es üblich, die registrierten Daten auf Magnetbändern zu speichern, die wie eine Audiokassette schneller abgespielt werden konnten. Dadurch wurden die Schwingungen eines Erdbebens in den hörbaren Bereich verschoben.[16]

Heute verbindet sich der Begriff Auditory Seismology mit den Forschungsprojekten des Geophysikers Florian Dombois, der die Sonifikation von Erdbeben sowohl für die Wissenschaft als auch in künstlerischen Installationen vorangetrieben hat. Viele aus der Seismologie bekannte Phänomene können, wie Dombois zeigt, akustisch leicht dargestellt und identifiziert werden.[17] Seine Arbeit Circum Pacific 5.1 ist ein Beispiel für die räumliche Umsetzung von sonifizierten Erdbebenmesswerten, in der geografisch weit voneinander entfernte Aktivitäten simultan wahrgenommen werden können. Das Projekt zeigt darüber hinaus die erfolgreiche Verbindung von wissenschaftlicher Forschung und künstlerischem Konzept.

In der Neurologie hat sich die Sonifikation von EEGs in den letzten Jahren zu einem äußerst aktiven wissenschaftlichen Forschungsfeld etabliert.[18] Dies liegt vor allem an der komplizierten Struktur eines EEGs, welches typischerweise aus mehreren Datenströmen besteht. Da dessen Analyse nur teilweise automatisiert werden kann, ist ein hohes Maß an Expertise Voraussetzung für die Interpretation. Sonifikation hat hier das Potenzial, simultane komplexe rhythmische Strukturen wahrnehmbar zu machen. Besonders die aktuellen Forschungen zur EEG-Vokalsonifikation zeigen vielversprechende Ansätze, da dezidiert an der Entwicklung eines kanonischen Verfahrens gearbeitet wurde. Eine der Zielstellungen war es, Softwarekomponenten für EEG-Gerätehersteller zu entwickeln, die die Signalauswertung und vor allem die Echtzeit-Diagnose von EEGs bei klinischer Patientenüberwachung ermöglichen sollen.[19]

Aufgrund der langsamen Transistoren Mailüfterl benannt, im Gegensatz zu dem zur damaligen Zeit bekannten MIT-Computer Wirbelwind. Siehe: Heinz Zemanek, »Als das ›Mailüfterl‹ zu wehen begann…«, in: Die Presse, 24. Mai 1978, S. 20.  
Aus einem Gespräch der Autorin mit Prof. Heinz Zemanek vom 3. Juli 2009. Siehe auch: http://www.heise.de/newsticker/Mailuefterl-Konstrukteur-Zemanek-in-Wien-geehrt--/meldung/56956 (25.06.2009).  
An dieser Stelle zeigt sich wieder der starke Einfluss der Technologie der Tonaufzeichnung auf die Entwicklung der Sonifikation. Interessanterweise spielten etwa zur selben Zeit Magnetbänder bei der Entwicklung der Musique Concrète eine wichtige Rolle.  
Siehe online unter: http://www.auditory-seismology.org (25.06.2009).  
Vgl. http://www.icad.org/node/2483 (25.06.2009).  
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