Konzeptuelle Verknüpfungen von Ton und Bild
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Den Akt der Wahrnehmung als aktiven Prozess zu hypostasieren, war auch Anliegen jener Künstler, die ausgehend von einer Affinität zum musikalischen Experiment die Rekonzeptualisierung filmischer Darstellung suchten und dabei den sinnlichen Wirkungskreis dieser verschiedenen Ausdrucksweisen zu einer intermedialen Form (Expanded Cinema) erweiterten. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang an den kanadischen Musiker, Filmemacher, Zeichner und Bildhauer Michael Snow oder an den US-amerikanischen Musiker, Performancekünstler, Filmemacher, Zeichner und Maler Tony Conrad. In ihren Werken fungieren die Formeln aus Mathematik, Geometrie oder Physik nicht nur als Formprinzip oder im Sinne modellhafter Darstellung, sondern bisweilen auch schlicht als lakonisches Versatzstück. Dabei war das so entstehende Verhältnis des Visuellen zum Musikalischen oder Klanglichen teils analoger, teils heteronomer Natur.
Dass die einschlägige Literatur sowohl Snow wie auch Conrad insbesondere unter dem Label structural film[8] oder structural materialist film[9] diskutierte und dabei insbesondere die Aufmerksamkeit der Künstler für die sinnliche Eigenlogik der kinematografischen Apparatur bzw. des Zusammenspiels von Filmstreifen, Kamera und Projektion herausstellte, hat das Blickfeld für die von ihnen aus Elementen des Filmischen und des Musikalisch-Klanglichen geschaffenen intermedialen Konstellationen ein wenig verstellt. Deren Vielseitigkeit und Spannung resultierte nicht zuletzt daraus, dass für Snow ebenso wie für Conrad die Entwicklung filmischer Projekte und das Wirken als Musiker (Snow als Jazz-Musiker, Conrad als Avantgarde-Rock- sowie Minimal-Musiker) weitgehend unabhängig voneinander verliefen. Nur selten gab es zwischen den von ihnen betriebenen Film- und Musikpraktiken eine Berührung in dem Sinne, dass ein musikalisches Werk zum Soundtrack eines ihrer Filme wurde. Ausdrücklich bestand Snow auf die Unabhängigkeit zwischen visuellen und musikalischen Ausdrucksmitteln. Ein Cross-over entstand eher dadurch, dass er die akustischen Parameter des Klingenden, wie Frequenz oder Wellenlänge, experimentell in solche des Filmischen transponierte (und umgekehrt). So etwa in Wavelength (1967), wo er die allmähliche Frequenzsteigerung einer Sinusschwingung der kontinuierlichen Änderung des Kamerazooms entgegenhielt. Oder indem er mit demselben Film den physikalisch abstrakten Begriff der Wellenlänge auf die fotografische Darstellung von Meereswellen hin reflektierte.
Snow wie auch den anderen Protagonisten des strukturellen Films ging es zum einen, in der Tradition der Avantgarde, um die Entlarvung des den technischen Medien verstärkt zukommenden Potenzials mimetischer Illusionserzeugung; zum anderen forcierten sie damit eine analytische Infragestellung genau jener filmsprachlichen Kodifizierungssysteme, der sie sich im Sinne einer gattungs- und medienübergreifenden Praxis bedienten. Im Unterschied zu den für die historischen Avantgarden charakteristischen Methoden der (bedeutungsdekonstruierenden) Collage setzten sie auf die phänomenologische Materialität von Bild-Ton-Beziehungen, so im Hinblick auf die Erscheinungs- und Darstellungsmodi von Zeitlichkeit und Räumlichkeit, von Größenverhältnissen und Volumen, von Rhythmus und Kombinatorik. Medientechnische Prozeduren herausstellend – seien es (a-)synchrone Montage-Effekte von Bild und Ton, sei es die Variabilität von Aufnahme- und Wiedergabegeschwindigkeiten oder seien es die Oszillationen, Samplings, Hall- oder Rückkopplungseffekte des filmischen respektive auditiven Materials – spekulierten die Künstler weniger auf semantische Vorgänge der Bedeutungsproduktion, denn auf eine direkte körperliche, wahrnehmungsreflexive, hypnotische oder auch halluzinatorische Erfahrung.