Das Konzept des Sound Designs hat sich Mitte der 1970er Jahre herausgebildet. In diesem Konzept wird der Sound Designer als zentrale kreative Instanz begriffen, die sämtliche Aspekte der Gestaltung von Sprach- und Geräuschaufnahmen innerhalb eines Filmes – nicht jedoch die Musik – kontrolliert und in eine übergreifende klangliche Gesamtkomposition integriert. Dazu gehören die Aufnahme und Bearbeitung von einzelnen Klangobjekten die Überwachung der Arbeit des Geräuschemachers (Foley Artist), der Schnitt und die Bearbeitung der Originaldialogaufnahmen sowie die Mitarbeit an der Endmischung. Kurz gefasst, ist es die Aufgabe des Sound Designers, für jeden Film einen individuellen klanglichen Stil zu entwickeln, der die Narration optimal unterstützt sowie die emotionale Wirkung vertieft und erweitert. Schlüsselfiguren des Umbruchs waren Walter Murch, der mit Francis Ford Coppola sowohl an The Conversation (US 1974) wie auch an Apocalypse Now (US 1979) gearbeitet hat, sowie Ben Burtt, der das Star Wars-Universum klanglich gestaltete.
Klänge waren bereits in den ersten Kinos Bestandteil der Filmvorführungen. Über die Details des Einsatzes von Geräuschen im frühen Kino ist jedoch wenig bekannt. Ein rares Dokument zur Geräuschtechnik im Stummfilm ist S. de Serks Les Bruits de coulisses au cinéma von 1914, das einige Techniken der Substitution von Geräuschen beschreibt, die ihrerseits auf die Theatertechnik seit der Antike zurückgehen.[1] Auch Kinoorgeln mit speziellen Geräusch-Registern (z. B. Donner, Wind, Tierstimmen, Klingeln) kamen ab 1908 zum Einsatz.[2] In den 1920er Jahren brachte die Deutsche Grammophon schließlich Geräuschplatten mit Originalaufnahmen auf den Markt.
Ein anderer Vorläufer der Tonarbeit für den Film war die Tonmontage, wie sie später von der Musique concrète weiter entwickelt wurde. In Russland hatte Dsiga Wertow in den 1910er Jahren mithilfe eines Pathéphone-Wachsplattenspielers dokumentarische Geräuschaufnahmen zu montieren versucht. Im Kontext der Radio-Kunst in Deutschland etablierte sich seit 1924 die kompositorische Arbeit mit Geräuschen. Sicherlich das bekannteste frühe Beispiel einer Geräuschkunst ist Walter Ruttmanns Weekend (1930).
Besonders interessant hinsichtlich der Gestaltung mit Geräuschen sind die frühen Tonfilme, wie Blackmail (UK 1929, R: Alfred Hitchcock), M – Eine Stadt sucht einen Mörder (DE 1931, R: Fritz Lang), Georg Wilhelm Pabsts Westfront 1918 (DE 1930) und Kameradschaft (DE/FR 1931) oder Applause (US 1929, R: Rouben Mamoulian). Denn die eingeschränkten technischen Möglichkeiten erforderten eine ausgeprägte Ökonomie auf der Tonspur. Mit der zunehmenden Standardisierung ging in Hollywood das Prinzip der Arbeitsteilung einher, das in der Regel vom Leiter der Tonabteilung des Studios lediglich koordiniert wurde. Die Toncutter (Sound Editors) bedienten sich dabei vorwiegend des Materials aus dem studioeigenen Geräuscharchiv. Im Unterschied zu diesem System zeichnete Murray Spivack bereits 1933 für die Gesamtkonzeption des Filmtons von King Kong (US 1933, R: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack) verantwortlich und entwarf insbesondere die Geräusche, welche die fantastische Figur Kong charakterisierten. Dazu gehörte das Brüllen des Riesenaffen, das Spivack herstellte, indem er in ein Megafon blies und das dabei entstehende Grollen mit einem verlangsamten und somit in die Basslage transponierten Löwengebrüll kombinierte. Eine weitere wichtige Tradition, die dem Sound Design den Weg ebnete, kann im Umfeld des Animationsfilms vermutet werden, der seit Beginn ein eigenwilliges, sehr künstliches Klangrepertoire entworfen hat. Leitfiguren dieser Tradition waren Tregoweth Brown, der die Warner-Cartoons vertonte, und Jimmy MacDonald, der für Disney arbeitete. Insgesamt lässt sich in der Phase zwischen ca. 1933 und 1950 eine sehr zugespitzte Stilisierung und Standardisierung innerhalb des Sound Designs feststellen, die unmittelbar auf die Arbeit mit Klangobjekten aus dem Archiv zurückzuführen ist.
Die Voraussetzungen für eine differenzierte Klanggestaltung waren bereits mit den magnetischen Mehrspurformaten geschaffen worden, die ab den frühen 1950er Jahren Verbreitung gefunden hatten. Im Unterschied zum traditionellen Mono-Lichtton verfügten diese Verfahren über einen größeren Frequenzumfang. Vor allem aber ermöglichte die Mehrkanaltechnik eine Entflechtung der Klangobjekte, die im Gegensatz zu den Monoformaten sich nun nicht mehr auf einer Achse liegend maskierten. Dadurch konnten nicht nur gesteigerte akustische Raumillusionen erreicht, sondern auch komplexere Klangsphären geschaffen werden.
Interessanterweise wurden diese verbesserten technischen Möglichkeiten damals kaum genutzt. Stattdessen dominierte die Klanggestaltung der Filme nach wie vor ein stilisierter Einsatz von vorwiegend stereotypen Geräuschen. Als Ausnahmen können Spartacus (US 1960, R: Stanley Kubrick) oder Lawrence of Arabia (UK/US 1962, R: David Lean) genannt werden. Für Alfred Hitchcocks The Birds (US 1963) hatte Oskar Sala die durchdringenden Vogelschreie auf dem Trautonium synthetisch hergestellt.
Die Entwicklung des Sound Designs Mitte der 1970er Jahre hat das ästhetische Vokabular des Filmtons auffallend verändert, denn im Begriff Sound Design schlägt sich die neue Auffassung des gestaltenden Eingriffs einer individualisierten Schöpferpersönlichkeit nieder. Die Tätigkeit eines Sound Designers ist als Erarbeitung eines ästhetischen Gesamtkonzepts für den Filmton zu verstehen, das Aspekte der Gestaltung von Sprach- und Geräuschaufnahmen – nicht jedoch die Musik – umfasst.
Entscheidend für die Entwicklung des Sound Designs im amerikanischen Mainstream-Film dürften in erster Linie kulturelle Faktoren gewesen sein. Denn federführend waren die Protagonisten des New Hollywood, eine junge Generation von Filmemachern wie Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, George Lucas oder Steven Spielberg. Sie alle wuchsen im Umfeld der antibürgerlichen Jugendkulturen der 1960er Jahre auf, deren kraftvollste kulturelle Praxis in der Rockmusik ihren Ausdruck in einem schmutzigen, dem Körperlichen verpflichteten Sound mit elektroakustischer Verstärkung fand. Zudem waren diese sogenannten Movie Brats Kenner nicht nur der amerikanischen Filmtradition, sondern auch des europäischen Kunstfilms und besonders der Nouvelle Vague, welche die Idee des demokratischen Tons verkörperte, bei dem verschiedene Segmente in einem spannungsgeladenen unorganisierten Verhältnis zueinander stehen. Schlüsselfiguren des Umbruchs waren die Sound Designer Walter Murch, der mit Francis Ford Coppola sowohl an The Conversation (US 1974) wie auch an Apocalypse Now (US 1979) gearbeitet hat, und Ben Burtt, der das Star Wars-Universum klanglich gestaltete.
Auch die Weiterentwicklung der Audiotechnik hatte großen Einfluss auf die Entwicklung des Sound Designs. Aus praktischen und ökonomischen Gründen waren die Mehrspurformate in den 1960er Jahren fast vollständig aus den Kinos verschwunden. Erst die Einführung von Dolby-Stereo Mitte der 1970er Jahre, einem Stereo-System mit Mitten- und Surroundkanal, brachte die entscheidende Wende zu einer flächendeckenden Ausrüstung der Kinosäle mit Stereo-Systemen. Ab den frühen 1990er Jahren fand die Umstellung auf digitale Systeme statt. Diese Systeme verfügen über mehrere Surround-Kanäle sowie einen Subwoofer für die Basswiedergabe.
Im Unterschied zur Regel See a dog – hear a dog des klassischen Hollywoodfilms, die besagt, dass kein Klangobjekt ohne die entsprechende visuelle Repräsentation verwendet werden darf, hat sich inzwischen eine vielgestaltige Interaktion zwischen Ton und Bild herausgebildet, die sich mit Michel Chions Begriff valeur ajoutée (Mehrwert) fassen lässt.[3] Das souveräne Klangobjekt neuerer Filmtonspuren kann über den Hinweis auf eine Klangquelle hinaus materielle Beschaffenheiten und sinnliche Qualitäten sowie Funktionen und deren Konsequenzen etablieren.
Die Gestaltung kompletter auditiver Szenografien mittels zeichenhaft überhöhter Klangobjekte ermöglicht den unmittelbaren Verweis auf ein bestimmtes Setting. Zu unterscheiden sind dabei einzelne Orientierungslaute, die einen Schauplatz charakterisieren, und Atmosphären, die als Verbünde von meist maximal drei Orientierungslauten organisiert sind. Typische Konstellationen sind zirpende Grillen und entferntes Hundegebell, die eine nächtliche Landschaft im Süden darstellen, oder leises Geschirrklappern und Gesprächsfetzen im Restaurant. Die Orientierungsfunktion der Tonspur basiert zu weiten Teilen auf Stereotypen, die der Rezipient sofort und mühelos versteht. Im akustischen Setting zeigt sich auch die Kardinalfunktion der Tonspur, die darin besteht, Kohärenz zu schaffen und die durch Schnitte fragmentierten filmischen Einstellungen in einem übergeordneten Ganzen zu verankern. Der ökonomische Einsatz von Klangobjekten, die einen Schauplatz akustisch charakterisieren, ist exemplarisch in 48 Hrs. (US 1983, R: Walter Hill) zu beobachten. Eine dichte Lautsphäre aus Telefonklingeln, Schritten und Hintergrundstimmen suggeriert zunächst den Eindruck von Geschäftigkeit und wird im Laufe des Films reduziert, bis das Telefonklingeln als alleiniger Orientierungslaut den Schauplatz eines Polizeibüros anzeigt.
Wenn die Umwelt oder Teile davon aus der Wahrnehmungsperspektive einer Filmfigur dargestellt werden, spricht man von Subjektivierung. Eine deutliche Zunahme solcher akustischer Subjektivierungen in fein differenzierten Abstufungen, die den emotionalen Zustand der Figuren unterstreichen, zeichnet den Filmton seit den 1970er Jahren aus. Eine übergeordnete Strategie ist die Dissoziation zwischen akustischer und optischer Repräsentation. Unterscheiden sich beide signifikant voneinander, wird die fest gefügte Plausibilitätsbeziehung zwischen Ton und Bild empfindlich gestört. So können die Geräusche verschwinden, deutlich verändert werden oder es findet eine antinaturalistische Selektion statt, welche die Gewichtung der verschiedenen Klangobjekte verändert, wie beispielsweise in der Anfangsszene von Apocalypse Now, in der sich ein urbanes Setting in eine Dschungelatmosphäre transformiert.
Vor allem in Genres mit fantastischem Charakter oder bei der Darstellung von psychischer Fragilität der Protagonisten lässt sich eine sehr feine Ausgestaltung der materiellen Eigenschaften auf der Tonspur beobachten. Klangobjekte haben unter anderem den Zweck, das zweidimensionale Bild mit haptischen Qualitäten anzureichern, die sich direkt aus den materiellen Konnotationen speisen. Gleichzeitig enthalten diese Konnotationen eine symbolische Dimension, die sich aus der Geschichte der Materialien und ihrer kulturellen Verwendung ergibt. Während viele Liebesszenen von angenehmen Wassergeräuschen begleitet werden, ist Metall häufig mit aggressiven Momenten verknüpft, etwa in Terminator 2 – Judgment Day (US/FR 1991, R: James Cameron). Wind korreliert in zahlreichen Filmen mit psychischen Grenzsituationen wie in Close Encounters of the Third Kind (US/UK 1977, R: Steven Spielberg). In Raiders of the Lost Ark (US 1981 R: Steven Spielberg) wird er als Leitmotiv der Bedrohung durch die Nazis eingesetzt.
Zu einer unangenehmen Verunsicherung führen undefinierbare Klangobjekte – sogenannte UKOs.[4] Sie sind als unterdeterminierte Zeichen zu verstehen, deren Vagheit eine gewisse Offenheit und gleichzeitig Spannung erzeugt, weil man sie nicht unmittelbar einordnen kann. Ein Hauptcharakteristikum des UKO ist seine Emanzipation von seiner Quelle, die weder im Bild sichtbar ist noch aus dem Kontext erkenntlich wird. Außerdem wird den Rezipienten auch die Hilfestellung des Wiedererkennens verweigert, sodass es im Allgemeinen nicht zu einer Reduktion der Mehrdeutigkeit kommt. Damit aktiviert das UKO eine instinktive Reaktion, denn Gefahren in der Natur kündigen sich oft über Geräusche an. So setzt der Horror-Film Cube (CA 1997, R: Vincenzo Natali) in großem Umfang auf die verunsichernde Wirkung von UKOs, um eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen.
Seit den späten 1970er Jahren nimmt die Verwendung entlegener Frequenzbereiche (unter 80 Hz und über 4000 Hz) zu. Die Basis bilden sowohl traditionelle, kulturelle Faktoren der Klangerzeugung als auch psychoakustische Gesetzmäßigkeiten der auditiven Wahrnehmung. So können basslastige Klangobjekte je nach rhythmischer Struktur entweder beruhigend oder bedrohlich wirken, während in einem höheren Frequenzspektrum zwischen 3000 und 5000 Hz, in dem das Ohr besonders empfindlich reagiert, jene enervierenden Klangobjekte angesiedelt sind, die weltweit mit Lautphobien korrelieren, wie das sirrende Geräusch des Zahnarztbohrers oder das Kratzen von Fingernägeln auf der Wandtafel. Diese sensorischen Qualitäten wirken sich unmittelbar affektiv aus.
Mit der Verwendung von exzessiver Lautstärke und der Entgrenzung des filmischen Raums durch die Surround-Verfahren wird die angestammte Altarfunktion des Films zunehmend aufgelöst. An dessen Stelle treten sensorische Strategien, die den Rezipienten nach einfachem Reiz-Reaktions-Muster überwältigen sollen, indem sie direkte, kognitiv nicht zu kontrollierende vegetative Reaktionen auslösen. Für solche Überwältigungsstrategien hat Thomas Elsaesser den Begriff Engulfment (Überflutung) geprägt.[5] Exzessive Lautstärke verfügt über eine mythische Dimension, die auf die Pole Kult und Krieg zurückzuführen ist, in denen große Lautstärke schon seit Jahrhunderten eine wichtige Funktion ausübt. Beispielhaft für die Verwendung der psychoakustischen Dimension des Klangs ist die Eröffnungssequenz aus Jurassic Park (US 1993, R: Steven Spielberg), in welcher die Dynamik bis zum Maximalpegel anschwillt und sich gleichzeitig der Frequenzgang in den Bass- und Höhenbereich verlagert.
[1] S. de Serk, Les Bruits de coulisses au cinéma, Paris 1914. Siehe auch Online unter: http://www.zauberklang.ch/DeSerk_1914_bw.pdf.
[2] Vgl. Karl Heinz Dettke, Kinoorgeln und Kinomusik in Deutschland, Weimar 1995.
[3] Vgl. Karl Heinz Dettke, Kinoorgeln und Kinomusik in Deutschland, Weimar 1995. Michel Chion, L’ audio-vision: Son et image au cinéma, Paris 1990.
[4] Siehe hierzu Barbara Flückiger, Sound Design. Die virtuelle Klangwelt des Films, Marburg 2001, S. 126–130.
[5] Thomas Elsaesser, »Specularity and Engulfment. Francis Ford Coppola and Bram Stoker’s Dracula.«, in: Stephen Neale, Murray Smith (Hg.), Contemporary Hollywood Cinema, London–New York 1998, S. 191.
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