Musiktheater

2 Wagner-Rezeption und die Entstehung des Regietheaters

Der Einfluss der Ideen Richard Wagners auf die Avantgarde der klassischen Moderne war beträchtlich. Bildende Künstler wie Hubert von Herkomer, Wassily Kandinsky oder Oskar Schlemmer sahen sich bei ihren Arbeiten für die Bühne in seiner Nachfolge. Der Pionier des modernen Regie- und Bildertheaters, der Schweizer Adolphe Appia, hat seine eigenen theoretischen Arbeiten als Wagner-Deutungen verstanden. In seiner 1899 veröffentlichten Schrift Die Musik und die Inszenierung plädierte Appia für ein aus der Musik heraus gestaltetes Bühnenbild.[2] Bei der Dekoration der Bühne gehe es nicht um einen mehr oder minder hohen Grad von Realismus[3], sondern die Bühnenformen haben deshalb ästhetischen Wert, weil sie Bestandteil der von der Musik geforderten Gesamtheit sind. Appias eigene, nicht realisierte Bühnenbildentwürfe aus den Jahren 1890 bis 1892 für Das Rheingold und Die Walküre zeigen, dass seine Strategie zur bildlichen Umsetzung der Musik im neuartigen Einsatz der Bühnenbeleuchtung lag. Dabei hatte Appia neben den neuen Beleuchtungstechniken erstmals auch dreidimensionale Bühnenbilder vorgesehen. Die üblicherweise dominierenden Darsteller wurden bei Appia im Gesamteindruck des Bühnenbildes aufgelöst; die Figuren erschienen stilisiert in nur durch Licht und Architektur atmosphärisch gestalteten Räumen. Die Konzeption der Räume sollte dabei die Verbindung zwischen musikalischer Komposition und Bühnengeschehen herstellen. Es war daher nur konsequent, dass Appia in seinen 1908 bis 1912 für das Theater in Hellerau geschaffenen Bildstudien Rhythmische Räume das Bühnengeschehen schließlich auf reine Architektur und Lichteffekte reduzieren wollte.

War die Problemstellung dieser Konzepte das Verhältnis zwischen der Partitur des Komponisten und der Darstellung auf der Bühne, führte die rasche Entwicklung des Regietheaters seit dem Ende des Ersten Weltkriegs dazu, dass auch für die Oper die gesamte Bühnentechnik zu einem frei verfügbaren Deutungsmittel der Regie und die Inszenierung somit zu einer eigenen, von der Komposition unabhängigen, künstlerischen Leistung wurde. Einen letzten Versuch zu einer theoretischen Neukonzeption zur normativen Verknüpfung von Musik und Szene unternahm 1931 Paul Bekker in seiner Schrift Das Operntheater[4] mit der Einführung des Begriffs Spielorganik. Wie aus der Analyse der Partitur eine entsprechende Spielgesetzlichkeit eines Musiktheaterwerkes abgeleitet werden könne, blieb dennoch ungeklärt.

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