Audiovisuelle Live Performance

7 Tools

Ein weiteres Merkmal der Visual Performance am Beginn des 21. Jahrhunderts, neben den Entwicklungen von Live Cinema und VJing, ist die Flut von digitalen Tools, die für Visual Performances in Echtzeit sowohl von kommerziellen Anbietern als auch von Künstlern entwickelt worden sind. Kommerzielle Tools, wie z. B. Modul8 und VJamm, stellen eine wesentliche Erleichterung beim Mischen und Abrufen von Videoclips dar und setzen wenig oder keine Erfahrung im Programmieren voraus. Viele Performer legen allerdings großen Wert auf Flexibilität und schaffen sich lieber ihre eigenen Tools.

Software für Visual Performances kann in nahezu allen Programmiersprachen geschrieben werden; manche Künstler, wie z. B. Dave Griffiths ziehen es sogar vor, eine eigene Sprache zu entwickeln. Viele Visual Performer sind in den letzten Jahren dazu übergegangen, mit Entwicklungsumgebungen zu arbeiten, die auf Patches basieren, wie z. B. Max/MSP/Jitter und Pd/Gem.[7] Max/MSP und Pure Data (Pd), beide von Miller Puckette ursprünglich zur Echtzeit-Steuerung von Sounds und Geräten konzipiert, sind grafische Entwicklungsumgebungen, die mit frühen analogen Audio- und Videosynthesizern vergleichbar sind, bei denen die einzelnen Hardware-Module mit Patchkabeln verbunden waren. So können Programmierer in Max oder Pd Programme entwerfen, indem sie vorgefertige Softwareobjekte verbinden, sie können aber auch eigene Patches erzeugen. Jitter und Gem erweitern Max bzw. Pd um Objekte für die Bearbeitung von Visuals. Für die Entscheidung eines Künstlers, mit Max/Jitter bzw. Pd/Gem zu arbeiten, sind verschiedene Faktoren maßgeblich. Eine wichtiger Gesichtspunkt ist, dass es sich bei Max um kommerzielle Software handelt, die jetzt von Cycling ’74 vertrieben wird, während Pd eine kostenlose Open-Source-Software ist. Vom finanziellen Aspekt ganz abgesehen, ziehen viele Künstler quelloffene Tools vor, da diese es der User-Community möglich machen, die Software auf jede erdenkliche Weise zu überarbeiten und zu erweitern. Während eine ganze Reihe von Visual Performern glauben, dass Jitter leistungsfähiger ist als Gem, gibt es dennoch viele, die mit Pd/Gem arbeiten, einfach weil sie Open-Source-Software bevorzugen. Die große Zahl von Patches, die sowohl für Max/Jitter als auch für Pd/Gem mittlerweile von Usern programmiert wurden, bedeutet freilich, dass beide Projekte ganz wesentlich von der Community mitgestaltet sind.

Auch wenn patch-basierte Programmumgebungen bei vielen Performern beliebt sind, gibt es andere, die für ihre Entwicklungen eine traditionellere, auf Text basierende Programmiersprache bevorzugen. Die Open-Source-Sprache Processing, geht auf eine Initiative von Ben Fry und Casey Reas zurück. Obwohl ursprünglich nicht für Live-Performances gedacht, wird Processing immer häufiger für die Entwicklung von Performance-Tools für Live-Visuals eingesetzt. Auch gibt es zahlreiche von Künstlern geschriebene Tools, die proprietäre Entwicklungsumgebungen verwenden, wie z. B. Flash, sowie Tools, die eine proprietäre Entwicklungsumgebung mit einem Open-Source-Ansatz verbinden, wie z. B. Onyx.

Gegen Ende der 2000er Jahre zeichnet sich bei Visual Artists eine zunehmende Tendenz ab, die Einsatzmöglichkeiten für Hardware-Interfaces auszuweiten. Obwohl Videomixer schon vor dem digitalen Zeitalter ihren festen Platz bei Performances hatten, verwendeten doch die meisten Computer-Setups die dafür üblichen Schnittstellen, nämlich Maus und Tastatur, oder zweckentfremdete Controller für elektronische Musik und Viodeospiele, wie z. B. Tastaturen, Drumpads und Joysticks. In den letzten Jahren sind jedoch explizit für Visual Performances konzipierte Geräte auf den Markt gekommen. Der Pioneer DVJ-X1 aus dem Jahr 2004 und das Nachfolgemodell, der DVJ-1000, geben Visual Artists dieselben Möglichkeiten (Scratching, Looping usw.) für DVDs an die Hand, die DJs zur Bearbeitung von CDs zur Verfügung stehen. Mithilfe dieser Geräte können Audio und Video von einem einzelnen Performer, oft entsprechend als DVJ bezeichnet, gleichzeitig gemischt werden. Neben den kommerziellen Produkten wird auch Do-it-yourself-Hardware für Visual Performances angeboten: Das quelloffene Tagtool, von OMA International initiiert, kann mit Hilfe von Anleitungen auf der Tagtool-Website zusammengebaut und programmiert werden. Tagtool ermöglicht Zeichnung und Animation in Echtzeit für visuelle Live-Performances.

Max und Pd sind zwar zur Zeit die in der Community der Audio und Visual Performer beliebtesten Umgebungen, die auf Patches basieren, aber ähnliche Umgebungen gewinnen zusehends an Terrain, wie das Open-Source-Projekt vvvv, dessen Stärken auf dem Gebiet der Echtzeit-Videosynthese liegen, und Eyesweb, das sich besonders auf das maschinelle Sehen zur Erfassung von Gesten spezialisiert. Es gibt außerdem verschiedene quelloffene grafische und visuelle Bibliotheken für Pd zusätzlich zu denen von Gem selbst.  
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