Farbe-Ton-Analogien

von Jörg Jewanski

1 Farbe-Ton-Analogien im Kontext symbolischer und kosmologischer Theorien

2 Transfer von Konsonanzen der Tonintervalle auf Farbmischungen

3 Analogien von Farbbreiten im Spektrum und Tonintervallen innerhalb einer Tonleiter

4 Drei Hauptfarben der Maler oder sieben Farben des Spektrums

5 Berechnung von Wellenlängen als Grundlage für Farbe-Ton-Analogien

6 Übergreifende Problematiken von Farbe-Ton-Analogiebildungen



Abstract

Farbe-Ton-Analogien beziehen sich auf Zuordnungen von Farbskalen zu Tonskalen, denen im Lauf der Geschichte verschiedenste Funktionen in philosophischer, naturwissenschaftlicher, kunst- und musiktheoretischer Hinsicht zukamen. Abhängig vom Stand der Farbenlehre und Optik bzw. der Musiktheorie und Akustik wurden unterschiedlichste Verfahren für die Analogiebildung angewendet und das jeweils vorherrschende Weltverständnis für die theoretische Begründung herangezogen.

So traten Farbe-Ton-Korrespondenzen in der Frühzeit als Bestandteil komplexer symbolischer oder kosmologischer Analogien auf. Im Verbund mit Planeten und menschlichen Lebensbereichen sollten sie eine gegenseitige Widerspiegelung vom Makro- im Mikrokosmos oder einen übergreifenden Bauplan der Natur im Sinne einer Weltenharmonie demonstrieren.

Seit der Antike kam es dann zu einer zunehmenden Reduktion der Analogie-Modelle und der beginnenden Herauslösung von Farbe-Ton-Analogien, in deren Zuge sie nun auch zur Bestimmung von Farbharmonien durch einen Transfer der musikalischen Konsonanzlehre verwendet bzw. zur Etablierung einer Harmonielehre der Malerei eingesetzt wurden.

Erst seit dem frühen 18. Jahrhundert sind vollkommen eigenständige Farbe-Ton-Analogien nachweisbar, die vor allem der Visualisierung von Musik, meist durch den Einsatz unterschiedlicher Farbenklaviere, dienen sollten.

 

1 Farbe-Ton-Analogien im Kontext symbolischer und kosmologischer Theorien

Erste Ausprägungen von Farbe-Ton-Analogien finden sich innerhalb symbolischer und kosmologischer Modelle der Frühzeit, die sämtliche natürlichen Erscheinungen parallelisierten. Solche Gleichsetzungen beruhten auf der Annahme einer übergeordneten Einheit der Natur und einer gegebenen übergreifenden Entsprechung von Mikro- und Makrokosmos. So wurden nach Einbindungen von Licht und Schall in Schöpfungsmythen vor allem in Ostasien neben Farben und Tönen auch Jahreseinteilungen, der menschliche Körper, klimatische Zustände, Himmelsrichtungen, Planeten, Lebensalter usw. strukturiert und einander symbolisch zugeordnet. Für die Rezeption dieser Analogien für eine eigenständige Farbe-Ton-Analogie bedeutend sind die in dieser Tradition stehenden Zuordnungen von Athanasius Kircher, z. B. in dessen Buch Ars magna lucis et umbrae von 1646, in dem er Lichtintensitäten, Helligkeiten, Geschmacksarten, Elemente, Lebensalter, Wissensstufen, Seinsstufen und Töne mittels der gleichen Fünfteilung einander beiordnete.

2 Transfer von Konsonanzen der Tonintervalle auf Farbmischungen

Eine erste Reduzierung der allumfassenden Analogien der Frühzeit erfolgte in der Antike, als die zahlreichen Elemente nun auf Tonintervalle, Farbenpaare, Geschmacksqualitäten und Planeten konzentriert wurden, zwischen denen man harmonische Beziehungen aufgrund von jeweils siebenteiligen Skalen herstellte.

Sehen und Hören als die im Menschen vorrangigen Sinne zur Umweltwahrnehmung sowie stellenweise auch das Riechen und Schmecken wurden dabei bis ins 18. Jahrhundert hinein mittels Analogiebildung auf der Grundlage von Zahlengleichheit strukturiert.

Diese Transfers standen im Zusammenhang mit der Vorstellung einer übergreifenden Harmonielehre, in der die Weltordnung und Ästhetik auf Zahlen und Zahlenverhältnissen beruhen und durch diese ausgedrückt werden können[1].

Eine grundlegende Neuerung stellte dabei die Erkenntnis der Pythagoreer dar, dass die musikalische Harmonie auf ganzzahlige Proportionsverhältnisse zurückgeführt werden kann.

In der sich nun entwickelnden Musiktheorie spielte die Siebenzahl als Umfang der Tonleiter eine elementare Rolle. Nach dieser Maßgabe veränderte Aristoteles auch die Farbskala von von Weiß – Schwarz – Rot – Ockergelb auf Weiß – Gelb – Rot – Purpur – Grün – Blau – Schwarz, also der Helligkeit nach geordnet und damit an der Wahrnehmung orientiert, und übertrug Konsonanzen von Tonintervallen (Oktave, Quinte, Quarte) auf Farbenmischungen.

Im 17. Jahrhundert wurden die klar definierten musikalischen Konsonanzprinzipien dann auf Farbenpaare angelegt, um zu einer Art Harmonielehre der Malerei zu gelangen. In diesem Prozess wurde die Tonintervall-Farbenpaar-Analogie von der Einbeziehung anderer Sinne isoliert. So transferierte 1650 Cureau de la Chambre, ganz in aristotelischer Tradition, zunächst die musikalischen Konsonanzen Oktave, Quinte und Quarte auf Farben und differenzierte dieses System so weit aus, bis er Konsonanz- und sogar Dissonanzgrade aller möglichen Farbenpaare bestimmen konnte.

3 Analogien von Farbbreiten im Spektrum und Tonintervallen innerhalb einer Tonleiter

Athanasius Kircher hatte nicht nur symbolische Zuordnungen erstellt, sondern 1650 auch Farben und Tonintervalle einander zugeordnet. Hinsichtlich der Farbskala griff Kircher auf das neu entwickelte Farbsystem des Aguilonius von 1613 zurück, in dem dieser von drei Grundfarben Gelb – Rot – Blau ausging, diese aber noch, in aristotelischer Tradition, von Weiß und Schwarz umrahmte und damit der Helligkeit nach ordnete. Kircher setzte nun die Farbe Grün, die in diesem System keinen Platz hatte, zwischen Rot und Blau, parallelisierte sie mit der Oktave und ordnete die Konsonanzen zum Weißen und die Dissonanzen zum Schwarzen hin an.

Isaac Newton hatte 1666 mit Prismenversuchen begonnen und 1671 das Spektrum des Sonnenlichtes in fünf Farben eingeteilt: Rot – Gelb – Grün – Blau – Purpur. (1672 ging er sogar kurzfristig von einer Elfteilung des Spektrums aus.) Um die Proportionen dieser fünf Farben eleganter und ausgeglichener zu gestalten, führte er 1672 zwei Zwischenfarben ein und erhielt Rot – Orange – Gelb – Grün – Blau – Indigo – Violett. Mit dieser Aufteilung postulierte er eine Ähnlichkeit zum Tonsystem, da die sieben Stufen seiner Farbskala das Spektrum so aufteilen würden wie die sieben Töne eine Tonleiter. Daraus folgerte er, dass es eine Harmonie der Farben in Analogie zur Harmonie der Töne geben könne. 1704 ordnete er daher die sieben Farben in Kreisform an und verglich die Farbbreiten mit den Intervallen innerhalb einer dorischen Tonleiter. Dem griechischen Ideal einer kosmischen Harmonie verpflichtet, zog Newton im Sinne einer Einheit der Natur außerdem den Vergleich zu den sieben Planeten heran. Dieses Analogiemodell wurde von ihm in den Opticks (1704) veröffentlicht und von nachfolgenden Farbe-Ton-Theoretikern rezipiert. Während bisherige Theorien sich nur auf Tonintervalle bezogen, erscheint bei Newton zum ersten Mal in der Geschichte der Vergleich mit einer Tonleiter. Damit war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Reduzierung von Tonintervallen innerhalb einer Tonleiter auf einzelne Töne und von Farbbreiten auf die Farben selbst, wie es im frühen 18. Jahrhundert vorgenommen wurde.

Darüber hinaus überwand Newton Aristoteles’ Anordnung der Farben zwischen Schwarz und Weiß, setzte damit zahlreiche bisherige Farbenlehren außer Kraft und stellte sein Farbe-Ton-Analogiemodell auf eine physikalische Grundlage.

4 Drei Hauptfarben der Maler oder sieben Farben des Spektrums

Die erste reine Farbe-Ton-Analogie stellte Louis-Bertrand Castel (ab 1725) auf. Er stützte sich dabei auf frühere Analogiemodelle von u. a. Aristoteles, Athanasius Kircher und Isaac Newton, zielte im Unterschied zu diesen aber nicht mehr auf einen Beweis einer allumfassenden Weltenharmonie, sondern auf eine Visualisierung von Musik bzw. eine Ersetzung von Tönen durch Farben. Um die Vergänglichkeit der Musik als Zeitkunst zu umgehen oder aufzuheben, wollte er sie mit der Malerei als Raumkunst zu einer neuen Kunst, einer musique muette, verbinden. Castel argumentierte diesbezüglich, dass, da Musik aus Tönen und Malerei aus Farben bestehe, mit einer Farbe-Ton-Analogie auch Musik visuell dargestellt werden könne, zumal Analogiebildung als Wissenschaftsmethode akzeptiert sei. Zur praktischen Umsetzung und Beweisführung seiner Theorie konzipierte er ein Farbenklavier, das er Clavecin oculaire nannte.

In dieser Zeit galten zwei unterschiedliche Farbenlehren als etabliert: die des Aguilonius und die Isaac Newtons. Auch war die Ableitung musikalischer Erscheinungen aus der Obertonreihe von Joseph Sauveur zu Anfang des 18. Jahrhundert wissenschaftlich erklärt worden und nur vier Jahre vorher, 1722, hatte Jean-Philippe Rameau die Kirchentonarten, auf die sich noch Newton gestützt hatte, endgültig als überwunden erklärt und den Dreiklang innerhalb einer Durtonart als Kernstück seiner neuen Harmonielehre herausgestellt.

Damit standen sowohl auf Ton- als auch auf Farb-Ebene zwei grundsätzlich verschiedene Systeme zur Verfügung: jeweils ein physikalisches und ein künstlerisches Modell.

Seitens der auszuwählenden Farben war dies einerseits die Farbabfolge des Spektrums, andererseits die in der Malerei verwendete Farbskala. Seitens der auszuwählenden Töne existiert, als Pendant zum Spektrum, mit der Obertonreihe ebenfalls eine physikalisch basierte Ordnung und, wiederum als Pendant zu den Farben, die Tonleiter (als Repräsentant des Tonmaterials oder der Tonart), mit der Komponisten arbeiten.[2]

Darüber hinaus wiesen die jeweiligen Farb- und Ton-Systeme verschiedenstufige Untergliederungen als Grundlage für die Kompatibilität der Analogiebildungen auf.

Hinsichtlich der Farbe gab es eine dreiteilige Skala der Maler und Färber sowie eine siebenteilige der Physiker, die für eine potenzielle Verknüpfung mit Tönen mitunter modifiziert wurden. So kann die dreiteilige Skala durch Zwischenfarben zu einer sechsteiligen (Gelb – Orange – Rot – Violett – Blau –Grün) und durch weitere Zwischenfarben zu einer zwölfteiligen erweitert werden. Das siebenteilige Schema kann auf das dreiteilige reduziert werden, da in den ersten fünf Farben Rot – Orange – Gelb – Grün – Blau die drei Hauptfarben der Maler in der Reihenfolge Rot – Gelb – Blau enthalten sind. Für die Erweiterung des siebenteiligen Schemas zu einem zwölfteiligen, in sich zurückkehrenden Farbenkreis muss zunächst das Purpur ergänzt werden, das im Spektrum nicht enthalten ist. Zudem ist eine Siebenteilung durch eine regelmäßige Zufügung von Zwischenfarben nur zu einer Dreizehnteilung auszubauen, wenn man bei der Darstellung eines linearen Spektrumbandes bleibt. Falls eine Kreisstruktur beabsichtigt ist, kann eine Vierzehnteiligkeit erreicht werden. Damit sind, kombiniert man beide Farbsysteme, Teilungen innerhalb der Zahlen 3 – 6 – 7 – 12 – 13 – 14 möglich.

In der Musik existierte im 18. Jahrhundert ebenfalls eine drei- und eine siebenteilige Struktur, zum einen in Form des aus drei Tönen bestehenden und aus der Obertonreihe abgeleiteten Durakkords, der, zum anderen, wiederum zur siebentonigen Durtonleiter ausgeweitet werden konnte.

Diese Drei- und Siebenteiligkeit der Tonskala kann auch zu einer Zwölfteiligkeit erweitert werden, wodurch sich die chromatische Tonleiter ergibt. Damit sind seitens der Musik Teilungen innerhalb der Zahlen 3 – 7 – 12 möglich.

Für die Analogiebildung wurden im 18. Jahrhundert daher die in beiden Systemen enthaltenen Teilungen mittels der Zahlen 3 – 7 – 12 verwendet. Unterschiede ergeben sich jedoch im gewählten Ausgangspunkt und in der Laufrichtung des farblichen Schemas.

In der Musik wurde zunächst das Tongeschlecht Dur und nicht Moll als Ausgangspunkt gewählt und innerhalb davon die Tonart C-Dur. Diese Form der Zuordnung begann mit Castel (ab 1726) und setzte sich mit Johann Gottlob Krüger fort, der, ebenso wie Castel, ein Farbenklavier (Farbenclavecymbel, 1743) konzipierte.

Am häufigsten angewandt wurde eine Analogie, bei der die sechs Kombinationsmöglichkeiten der drei Malerhauptfarben auf diejenige reduziert wird, die im Spektrum von links nach rechts enthalten ist: Rot – Gelb – Blau. Diese wurde mit den Dreiklangtönen des C-Dur-Akkordes und die übrigen Zwischentöne durch Zwischenfarben parallelisiert: c Rot, d Orange, e Gelb, f Grün, g Blau, a Indigo, h Violett. Eine andere Herleitung dieser Analogie ist die Reduzierung der Farbe-Tonintervall-Analogie bei Newton zu einer Farbe-Ton-Analogie und die Ersetzung der von Newton gewählten dorischen durch die C-Dur-Tonleiter. Damit fallen physikalische und künstlerische Herleitung zusammen, weshalb sich eine eindeutige Trennung zwischen beiden nicht immer als möglich erweist, sondern beide sich vielmehr wechselseitig bestätigen. Zudem herrschte auch nach Newton kein Konsens über die Zuordnungen von Farben und Tönen. Die Unterschiedlichkeit der Analogiemodelle lässt sich exemplarisch an der jeweils abweichenden Skalenposition der Farbe Rot ablesen.

5 Berechnung von Wellenlängen als Grundlage für Farbe-Ton-Analogien

Um 1800 erhielt die Erforschung der Farbe-Ton-Beziehungen neue Anregungen, als es dem Physiker Thomas Young gelang nachzuweisen, dass Licht nicht, wie Newton behauptete, aus Teilchen besteht, sondern aus Wellen.

Damit ergab sich die Entsprechung von Wellenlängen als neue Farbe-Ton-Analogie, die zumindest rechnerisch objektiver als Newtons Prismeneinteilung schien. Hier muss, sofern eine Dur-Tonleiter als Pendant gewählt wird, der Ambitus des Spektrums die gleichen Proportionen aufweisen wie der der Dur-Tonleiter, also, in musikalischen Termini, von dem Intervall einer großen Septime (15:8 = 1,87) bzw. von einer Oktave (2:1 = 2,0). Hatte Newton noch ein kleineres Spektrum beobachtet, wurden dessen Grenzen aufgrund der Verbesserung optischer Geräte im Laufe des 19. Jahrhunderts ausgeweitet. Heute geht man von einem Wellenlängenbereich des für den Menschen sichtbaren Spektrums von, je nach Grenzziehung, ca. 360–410 nm (äußerstes Violett) bis ca. 680–800 nm (äußerstes Rot) aus. Wählt man einen Mittelwert, z. B. 400–700 nm, entspricht dieser einem Frequenzbereich von 4,3x1014 Hz (äußerstes Rot) bis 7,5x1014 Hz (äußerstes Violett) mit fließenden Grenzen zu Infrarot und Ultraviolett.

Des Weiteren wurden die Berührungspunkte der beiden Systeme festgelegt. Hierbei kamen hauptsächlich zwei Möglichkeiten zur Anwendung: Es wurden die Schwingungszahlen von Tönen so oft potenziert, bis der Zahlenbereich der Lichtschwingungen erreicht war. So wurde die farbliche Entsprechung z. B. des Kammertones a = 440 Hz nach 40-facher Oktavierung mit 4,4x1014 Hz erreicht, was der Spektralfarbe Rot entspricht. Da das Intervall von a zum nächsthöheren c eine kleine Terz (5:6) ist, ergab sich für c der Wert 5,28x1014 Hz, was zu Gelbgrün führte. Da jedoch vielfach die C-Dur-Tonleiter als musikalischer Bezugspunkt und damit eine Vorrangstellung des Tones c gewählt wurde, musste diesem statt Gelbgrün auch eine der Hauptfarben zugeordnet werden. So wurde für die Zuordnung zumeist ein Punkt am Beginn des Farbspektrums, also innerhalb des Rotbereiches mit dem Ton c, gewählt und die weiteren Analogien von dort aus fortgeführt, zumeist nach den Proportionen der Obertonreihe, seltener nach denen der seit dem 18. Jahrhundert üblichen temperierten Stimmung.

6 Übergreifende Problematiken von Farbe-Ton-Analogiebildungen

Grundsätzlich unterscheiden sich Farben und Töne als physikalische Erscheinungen sowie hinsichtlich ihrer Wahrnehmung und unterliegen daher nicht denselben Ordnungssystemen. Bei einem Vergleich von Spektralfarben und Tönen sind folgende Problematiken zu berücksichtigen: Erstens weisen im Prisma die Farben fließende Übergänge auf, während in der Tonleiter als Konstrukt die einzelnen Töne deutlich voneinander getrennt sind. So sind manche Punkte im Spektrum nicht eindeutig mit Farbnamen zu belegen. Zweitens sind die Grenzen des Spektrums nicht eindeutig zu definieren, da die Empfindlichkeit des menschlichen Auges an den Grenzen des Lichtspektrums nicht abrupt, sondern allmählich abnimmt. Drittens sind die Farben im Prisma unregelmäßig verteilt: Es dominiert die Farbe Rot, wodurch ihr eigentlich mehrere Halbtöne der Musikskala zugeordnet werden müssten. Während im Wellenlängenbereich von ca. 600 bis 700 nm wenig Farbänderungen wahrzunehmen sind, liegen im Bereich zwischen 500 und 600 nm alle Übergangsfarben zwischen Rot, Orange, Gelb und Grün. Die Töne einer Tonleiter verteilen sich dagegen regelmäßig. Viertens ist die Anzahl der Prismenfarben nicht auf exakt sieben festzulegen. Schon während des 18. Jahrhunderts sind andere Aufteilung mit zwischen fünf und acht Farben nachzuweisen.

Die Obertonreihe als Vergleichsgrundlage erwies sich aus mehreren Gründen ungeeignet: Erstens schreitet die Abfolge der Töne logarithmisch und damit in wechselnden Abständen voran, die der Farben jedoch nicht; zweitens erscheint schon innerhalb der ersten vier Töne dreimal der gleiche Notenname, und drittens bezieht sich eine Obertonreihe auf jeden musikalischen Ton, sodass es zahlreiche Obertonreihen gibt, während sich das Spektrum nicht auf jeder einzelnen Farbe aufbaut, sondern dem Licht als Ganzem eigen ist.

Zusätzlich zu den Problematiken, die hinsichtlich der Analogiebildung auf der Grundlage von Spektralfarben angesprochen wurden, sind bei Analogien auf der Grundlage von Wellenberechnungen noch zwei weitere zu ergänzen:

Erstens handelt es sich bei Lichtwellen, im Gegensatz zu den mechanischen Schallwellen, um elektromagnetische Wellen, sodass eine Transformation von Tönen in Farben einer gemeinsamen physikalischen Basis entbehrt.

Darüber hinaus führt eine Aufwärtstransposition von Schall nicht in den Bereich des sichtbaren Lichts, sondern vielmehr in den des Ultraschalls.

Zweitens verläuft die Fortschreitung der Farben arithmetisch und die der Töne logarithmisch, weshalb sie auch keine vergleichbare mathematische Grundlage besitzen.[3]

Zusätzlich zu den schon dargestellten Problematiken an Farbe-Ton-Analogien wurden im Laufe der Geschichte zahlreiche weitere herausgearbeitet.

Bereits im 18. Jahrhundert wurden Einwände hervorgebracht, die auf jegliche Form von Farbe-Ton-Analogie übertragen werden können, bis heute ihre Bedeutung behalten haben und zudem aufzeigen, dass die zahlreichen Theorien des 19. und 20. Jahrhunderts mit jeweils individuell leicht abgewandelten mathematisch-physikalischen Verfahren die intensive Diskussion im 18. Jahrhundert nicht zur Kenntnis nahmen.

So benannte Jean-Jacques d’Ortous de Mairan 1737 und 1738 beispielsweise folgende Aspekte: Erstens ist Farbenharmonie von der Gewohnheit und der Mode abhängig, die Definition von Konsonanzen in der Musik aber zu allen Zeiten konstant. Zweitens hinterlässt die Wirkung einer Farbdissonanz, z. B. Rot und Orange, einen weniger unangenehmen Eindruck als eine Dissonanz in der Musik, z. B. ein Halbton. Drittens mischen sich Farben nicht zu einer analysierbaren Einheit, z. B. Gelb und Blau zu Grün; zwei Töne bilden jedoch nicht den zwischen ihnen liegenden, z. B. c und d nicht dis. Viertens ist die Empfindung jeder Farbe absolut, während sich Töne immer auf einen Grundton beziehen.

Hermann von Helmholtz stellte 1854 u. a. fest, dass eine Melodie ihren Grundcharakter behält, auch wenn sie z. B. eine Terz höher oder tiefer transponiert wird. Ein Gemälde hingegen verliert seinen Sinn, wenn man alle Farben durch diejenigen austauscht, deren Schwingungsverhältnis dem einer Terz entspricht.

Mit der musikalischen Entwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts ergaben sich weitere Kritikpunkte an Analogiebildungen. So ist in der atonalen Musik keine Vorrangstellung der Dur-Tonalität mehr gegeben, und schon gar keine der C-Dur-Tonalität, die als Basis der meisten Analogien dienten. Mit der Kenntnisnahme vollständig anders strukturierter außereuropäischer Skalen wurde auch die Drei-, Sieben- und Zwölfzahl von abendländischen Musiksystemen relativiert. Selbst die Siebenzahl der Planeten, die für eine Widerspiegelung von Mikro- und Makrokosmos sorgte, ist heute nicht mehr gültig.[4]

Auch wenn die physikalischen und wahrnehmungsbezogenen Prämissen von Farbe-Ton-Analogien sukzessive widerlegt wurden (was jedoch viele Künstler und Theoretiker bis heute nicht daran hindert, weitere Analogiemodelle zu entwickeln), bleibt die künstlerische Faszination einer Umsetzung von Tönen in Farben und damit die der Visualisierung von Musik bis heute erhalten und ist durch die Möglichkeiten aktueller Computertechnik (Parameter-Mapping) eher noch größer geworden.

Alle Fußnoten

[1] Hierauf basiert auch das Konzept der Sphärenharmonie, nach dem die Planeten bei ihrer Bewegung Töne erzeugen, die zusammenklingend die Himmelsharmonie ergeben, von der wir jedoch nichts hören. Vgl. Hans Schavernoch, Die Harmonie der Sphären. Die Geschichte der Idee des Welteinklangs und der Seeleneinstimmung, Freiburg 1981.

[2] Bei der Obertonreihe handelt es sich um Sinustöne, die in jedem Ton enthalten sind. Die Schwingungszahlen dieser aufeinander folgenden Töne sind 1:2:3:4:5:6:7:8:9:10:11:12 usw. Bezogen z. B. auf den Ton C ergibt sich die Reihe C – c – g – c1 – e1 – g1 – [b1] – c2– d2 – e2– [fis2] – g2 usw., wobei die hier in eckige Klammern gesetzten Töne nicht exakt den Notennamen entsprechen.

[3] Für die Berechnung des Abstands von einem Halbton zum nächsten wird die Schwingungszahl des ersten Tones mit der multipliziert.

[4] Der Uranus wurde 1781 entdeckt, Neptun 1846, Pluto 1930. Letzterer entspricht seit 2006 nicht mehr der von der Internationalen Astronomischen Union beschlossenen Definition von Planeten des Sonnensystems, wodurch sich eine aktuelle Anzahl von acht Planeten (Merkur – Venus – Erde – Mars – Jupiter – Saturn – Uranus – Neptun) ergibt.

Literaturliste

Ars magna lucis et umbrae
1646, Author: Kircher, Athanasius

Die Harmonie der Sphären: Die Geschichte der Idee des Welteneinklangs und der Seeleneinstimmung
1981, Author: Schavernoch, Hans Publisher: Alber

siehe auch

Personen
  • François d' Aguilon
  • Aristoteles
  • Louis-Bertrand Castel
  • Marin Cureau de la Chambre
  • Hermann von Helmholtz
  • Athanasius Kircher
  • Johann Gottlob Krüger
  • Isaac Newton
  • Jean Jacques d' Ortous de Mairan
  • Jean-Philippe Rameau
  • Joseph Sauveur
  • Thomas Young
  • Werke
  • Farbenclavecymbel
  • Farbenklavier
  • Optik

  • Zeitrahmen
    1610 bis heute

    Alle Schlagwörter
  • Intermodale Analogie (Kapitel 1)
  • Materialität (Kapitel 4)
  • Polysensualität (Kapitel 2)
  • Proportionstheorie (Kapitel 3, 5)
  • Pythagoreismus / Universelle Harmonie (Kapitel 1, 2, 3)


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